Gut, Vladimir Nabokov hatte nicht viel Geld. Aus Russland nach der Revolution 1917 geflohen, schrieb er, übersetze er, seit 1921 in Berlin. Und mit einem vom Ullstein-Verlag ausgezahlten Honorar kaufte er für sich und seine Frau Véra im Jahr 1929 ein kleines Grundstück am stillen Ziestsee, etwa 2 km nordwestlich von Kolberg. Zunächst eine Anzahlung. Die Absicht war, dort eines Tages eine Datscha zu bauen, wo er ungestört schreiben konnte – inmitten einer Landschaft, die ihn an die Kiefern- und Birkenwälder seiner Kindheit auf den Familiengütern südlich von St. Petersburg erinnert haben muss. Wegen ausbleibender Zahlungen fiel das Grundstück jedoch etwa drei Jahre später an den Eigentümer zurück.
Gefunden hatte Nabokov sein Grundstück über vier Inserate, die eine 1928 gegründete Siedlungsgesellschaft namens „Der Colberg am Wolziger See“ in der russischen Tageszeitung Rul geschaltet hatte.
„Der Colberg“ hatte vor, aus den Ländereien eines 1920 stillgelegten und an einen Berliner Architekten verkauftes Gut in Kolberg eine „Gartenstadt“ mit eigenem Dampfer- und Bahnanschluss zu machen. Zu diesem Zweck teilte er zunächst das Gelände in tausend Parzellen auf. Sie verkauften sich nur schleppend. Die Infrastruktur fehlte. 1930 waren von den tausend erst 150 Parzellen verkauft, 1931 war der „Der Colberg“ bankrott, 1932 wurde die Firma zwangsversteigert. Auf dem Gelände gab es nur ein paar Seegrundstücke, nicht am Wolziger See, sondern an dem etwa drei Kilometer entfernt versteckten kleinen Ziestsee. 1929, als Nabokov hier den Sommer verbrachte, war er an dessen Ufer der einzige Siedler, und genau diese Einsamkeit hatte es ihm angetan. Sie sollen dort Véra Nabokov zufolge im Schuppen des post-man gewohnt haben. Nur in Kolberg gab es nie eine Post, nicht einmal einen eigenen Briefträger. Wie sich herausstellte, wohnte das Paar im „Alten Dorfkrug“, dessen Wirt Fremdenzimmer vermietete und neben dessen Eingangstür sich der einzige Briefkasten des Ortes befand, damals leuchtend blau, heute leuchtend gelb.
Der im Sommer 2020 verstorbene Journalist und Publizist Dieter E. Zimmermann, 1973-77 Feuilletonchef der Wochenzeitung Die Zeit und ausgewiesener Kenner und Übersetzer der Werke Nabokovs, ist genau diesen Spuren in Kolberg nachgegangen. Seine interessanten Essays kann man auf seiner Homepage nachlesen. Insbesondere seine im Jahr 2014 veröffentlichte Fährtensuche zu Nabokov.